Vom Kopterfliegen, Campingplatzidylle und viel Regen
203. - 214. Reisetag (03.02. - 14.02.2016)
In den nächsten Tage halten wir uns rund um Puerto Bertrand am Rio Baker auf. An verschiedenen Stellen lassen wir den Kopter fliegen und alles klappt reibungslos. Dort, wo der Rio Baker mit dem Rio Neff zusammen fließt, treffen sich zwei verschiedene Farben, die sich vermischen und dabei schöne Muster ergeben. Der Rio Baker ist oberhalb des Zusammenflusses von einem tiefen Türkis und fließt über etliche Stromschnellen in mehr oder weniger hohen Schluchten dahin. Der Kopter fliegt durch die Schluchten, über den Zusammenfluss und den Stromschnellen. Die Filme und Fotos sind wirklich sehr schön und rufen ein freudiges Grinsen in Uwes Gesicht hervor. Bis zu 250 m hoch lässt Uwe ihn steigen, um wirkliche Flugeindrücke zu erhalten. Da der Kopter bei jeder Landung viel Staub aufwirbelt, was der Elektronik natürlich nicht so gut tut, fange ich ihn jedesmal auf. Dabei muss ich darauf achten, ihn so lange hoch zu halten, bis die Flügel sich nicht mehr bewegen. Sonst würden sie mir wohl durchs Gesicht fahren und ihre Spuren hinterlassen. Wir haben 3 Akkus, die jeweils nach einem ungefähr 10 minütigen Flug wieder geladen werden müssen. Auch die Tabletts, die wir für die Steuerung des Kopters und der Kamera benutzen, sowie die Fernbedienungen, auf denen die Tabletts befestigt werden, müssen stets geladen sein. Ihr merkt, dazu gehört eine gewisse Logistik, die jeweils berücksichtigt werden will. Hinzu kommt, dass die Akkus nach 10 Flügen völlig entleert und neu kalibriert werden müssen, damit keine Überraschungen wie auf den Falklands passieren. Dort hatten wir ja eine plötzliche Notlandung, die einer Kamera das Leben gekostet hat...
Als nächsten nehmen uns die Marmorgesteine gefangen. Wir fahren zu den Capillas de Marmol und übernachten dort auch. Die Bootstour am Morgen ist sehr schön, aber zum Fotografieren ist es schon zu spät und die Tour ist zu kurz. Da das Wetter so schön ist, beschließen wir noch einen Tag zu bleiben. Abends frischt der Wind so auf, dass keine Boote mehr raus fahren. Stattdessen klönen wir intensiv mit einem jungen deutschen Paar aus Jena und bewegen auf eine sehr nette Art die Probleme der Welt. Für den nächsten Morgen hat Uwe sich ein Kajak gemietet, damit er noch lange vor Sonnenaufgang zu den wunderschönen Steinformationen paddeln kann.
Auf Facebook schrieb er:
„Capillas de Marmol (Marmorkapellen) - Noch lange vor Sonnenaufgang bin ich mit mit einem Kajak zu den Marmorhöhlen gepaddelt, um diese im ersten Sonnenlicht zu fotografieren. Ich musste dem Kajakvermieter versprechen, dass ich früh morgens nur bei absoluter Windstille starte, da es sonst zu gefährlich ist (im Dezember ist Douglas Tompkins - der Gründer von North Face und Esprit - , der seit den 90er Jahren viel Land in Chile gekauft und dieses dann in Naturparks gewandelt hat, in diesem See auf einer Kajaktour ertrunken….). Naja, windstill war es nicht und ich musste mehr als einmal das Kajak am Ufer ausleeren. Reingefallen bin ich aber auch nicht.“
Bei den Capillas de Marmol handelt es sich um verschiedene Überhänge aus Marmor, die im Laufe der Jahrtausende vom Wasser abgeschliffen wurden und nun verschiedene Formationen und Muster bilden. Da er allein dort ist, hat er alle Zeit der Welt schöne Bildausschnitte zu suchen und die Kamera gerade und ruhig zu halten. Das Wasser ist wellig, so dass es keine Spiegelungen gibt und das Boot zudem schwankt. Hin und wieder muss er sogar an Land gehen und das Boot auskippen, da er bis zur Hüfte im Wasser sitzt. Als er gegen den Wind zurückgepaddelt ist, sind seine Beine und Füße sehr kalt und er kann kaum auftreten. Aber es hat sich gelohnt!
Das Valle Exploradores ist noch eine Sackgasse. Die Straße endet kurz vor Bahia Exploradores, das am Meer liegt, und von wo aus man in die Laguna San Rafael fahren kann, um Gletscher des Inlandeisfeldes zu bewundern. Es fehlen noch eine Brücke und ein kleines Stück Straße. Wir fahren das enge, dicht bewaldete Tal nur teilweise ab.
Unser erster Halt ist bei Katrin und Thomas aus Deutschland, die sich hier vor ca. 15 Jahren nieder gelassen haben. In mühevoller Kleinarbeit haben sie eine Herberge mit 9 Betten gebaut, in der sie ganzjährig Gäste aufnehmen. Die Hochsaison ist natürlich in den Sommermonaten. In dieser Zeit kochen sie auch und verkaufen die Mahlzeiten an Tagestouristen. Sie werden zwar von ihren Verwandten aus Deutschland besucht, verlassen Chile aber so gut wie gar nicht. Sie lieben das feuchte Klima im Tal und genießen die Einsamkeit außerhalb der Saison. Ihre 5jährige Tochter lebt ebenfalls dort und wird von ihnen selbst beschult werden bis sie 12 Jahre alt wird, wobei der Staat ihren Lernfortschritte einmal im Jahr kontrolliert.
Von Thomas wissen wir, dass wir seltenes Glück mit dem Wetter haben. Wir können den Gipfel des San Valentin sehen, der sich oberhalb eines Gletschers erhebt. Dies ist wohl nur wenige Male im Jahr möglich. Nach einem gefilterten Kaffee fahren wir bis zum Mirador des Nationalparkes und machen diese kurze aber steile Wanderung, um den fabelhaften Ausblick auf die Gipfel und den Gletscher zu genießen. Den sonnigen Nachmittag und die Nacht verbringen wir am Lago Bayo. Abends kommt ein Ranger und erlaubt uns dort zu bleiben, da wir keine Spuren hinterlassen werden (wir haben einen Abwassertank und eine Toilette). Das Stehen im Nationalpark ist generell verboten. Dieser Ranger ist aber sehr freundlich und legt das Recht im Sinne der Natur und nicht prinzipiell aus. Wir genießen diesen traumhaften Platz und schlafen gut.
Das frühe Aufstehen, um die Gipfel und den Gletscher im Sonnenaufgang zu fotografieren, ist leider überflüssig. Die von Thomas prophezeiten Wolken türmen sich am Himmel. Wären wir 2000m höher, könnten wir wahrscheinlich sehr beeindruckende Bilder machen, aber hier unten geht das leider nicht.
So verlassen wir langsam das Tal und folgen einem Tipp von Thomas. Er schwärmte uns von anderen Marmorhöhlen vor, die sich in Puerto Sanchez, also auf der anderen Seite des Lago General Carrera, befinden. Schon während wir an der westlichen Seite des Sees entlang fahren, überlegen wir, wie wir dort wohl hinkommen. Die östliche Seeseite fällt nämlich steil ab. Eine gut ausgebaute Schotterstraße windet sich bis auf einen 740m hoch gelegenen Pass. Der Blick über den See und das Hinterland ist umwerfend. Allein dafür lohnt sich dieser Umweg. Nach einer guten Stunde von der Nordspitze bei Puerto Murta erreichen wir Puerto Sanchez. Das Dorf ist klein und verträumt. Einige Touristen sind unterwegs, aber ansonsten schläft der Ort am Sonntag. Wir stellen das Auto am Ufer des Sees ab und erkunden die Umgebung zu Fuß. Eine Bootstour für den nächsten Morgen ist schnell vereinbart. Wir erfahren, dass hier früher Kupfer und Zinn abgebaut wurden. Die Reste der Anlage blicken noch immer über das Dorf. Unser Abendspaziergang führt uns über 300 Höhenmeter über das Dorf. Die Mineneingänge finden wir leider nicht.
Der nächste Morgen ist stark bewölkt, so dass wir die Bootstour ein wenig nach hinten verschieben. Auch hier sind die Formationen schön, aber leider nicht so eindrucksvoll zu fotografieren. Wir genießen die Bootstour trotzdem. Die Insel, an deren Ufer sich die Marmorkathedralen befinden, liegt schön im See und der Ausblick auf die Berge im Morgenlicht ist zwar nicht spektakulär aber trotzdem sehr schön.
Die Fahrt nach Coyhaique dauert lange. Wir schauen uns unterwegs viele Übernachtungsplätze an, sind aber nirgends so begeistert, dass wir dort bleiben. Als wir eine Whatsapp Nachricht von Jeannine erhalten, freuen wir uns sehr. Nach einer Fahrt durch sehr starken Wind treffen wir sie und Oliver im Cafe Mayo in Coyhaique. Während wir genüsslich Kaffee trinken, entscheiden wir uns für eine gemeinsame Übernachtung und treffen uns abends an einem Fluss. Dort sitzen wir noch lange zusammen und beschließen am nächsten Tag den Campingplatz Las Torres del Simpson anzufahren.
Vorher erledigen wir jedoch noch viele notwendige Kleinigkeiten in Coyhaique. So tropft seit kurzem unser Kühler. Der dritte Experte besorgt uns Kühlerdicht und schüttet es auch hinein. Die Hoffnung, dass der Kühler danach bald dicht ist, wird erst seit kurzem erfüllt. Es dauert wohl eine Weile, bis das Zeug den Weg an die richtige Stelle findet. Dennoch ist über kurz oder lang wohl ein neuer fällig. Glücklicherweise fahren die Dailys in Südamerika mit dem gleichen Kühler herum, so dass wir guter Hoffnung sind, ein Originalersatzteil zu bekommen.
Durch das Gerüttelt auf den vielen Schotterstraßen ist außerdem eine Halterung unter dem Auto kaputt gegangen. Beim Fahren durch die Straßen des Ortes beobachte ich jemanden, der schweißt. Wir halten an und der Schaden wird in kurzer Zeit behoben. Uwe entdeckt beim Ausbau noch eine zweite kaputte Halterung, die dann auch gleich geschweißt wird. Alles klappt, das ist doch wirklich prima!
Da Jeannine mir am Nachmittag die Haare färben will und mich damit vor einem weiteren Friseurbesuch rettet, versuchen wir noch erfolglos in 5 Farmacias, die hier neben Medikamenten auch Drogerieartikel anbieten, einen Stielkamm zu kaufen.
Gegen 16 Uhr trudeln wir auf dem schönen ruhig gelegenen Campingplatz Las Torres del Simpson ein. Ein sehr grüner Rasenplatz mit Blick auf ebenfalls sehr grüne Bäume und teilweise bewaldete Berge lädt wirklich zum Bleiben ein. Wir befinden uns in der Zone des kalten Regenwaldes, was wir an der Vegetation deutlich sehen. Das Wetter ist jedoch sehr sommerlich und wir holen die kurzen Hosen und Röcke raus.
Wir bleiben hier 2 Nächte, genießen die Ruhe und das Angebot des Campingwartes, der uns eine Lektion im Matetee trinken erteilt. Gleichzeitig färbt Jeannine mir die Haare, so dass wir eine echte Workshopsituation haben. Lange sitzen wir zusammen und erzählen uns gegenseitig unser Leben. Der Gesprächsstoff geht uns nicht aus. Nach so vielen kurzen Begegnungen mit Menschen auf unserer Reise fühlen Uwe und ich uns sehr wohl damit, zumindest mal 2 von ihnen ein wenig besser kennen lernen zu können. Am 2. Abend findet ein gemeinsames Grillen in der Aufenthaltshütte statt, an dem neben uns Vieren noch einige andere Gäste teilnehmen. Der Aufbruch fällt uns schwer, aber wir wollen ja noch viel sehen. Nachdem wir noch frischen Salat aus dem Gewächshaus gekauft haben, fahren Uwe und ich los. Es ist unklar, wann wir die anderen wiedersehen.
Auf dem Weg zu unserer geplanten Wanderung am Colgante Ventisquero sehen wir plötzlich weit vor uns einen Gletscher, der direkt über der Straße zu sein scheint. Kurz darauf fallen uns viele Touristen und ein Schild zu einer Wanderung durch den Zauberwald auf. Uwe springt aus dem Auto, fragt kurz rum und entscheidet spontan, die hier angebotene Wanderung zu machen. Nachdem wir uns darüber aufgeregt haben, dass wir trotz unseres Nationalparkpasses 3000 CLP pro Person (knapp 4,- €) bezahlen müssen, gehen wir los. Wir tauchen in einen wirklich märchenhaften Wald ein: Feuchter Untergrund, Bäche, sehr hohe Bäume, an denen Farne und Flechten wachsen, Höhlen und sogar einige rote Blüten - einfach umwerfend. Aus jeder Ecke könnte eine kleine Fee oder ein Troll herauskommen. Wir sind schwer beeindruckt. Nach und nach geht es immer höher und als wir aus dem Wald heraustreten, haben wir einen Blick auf den hängenden Gletscher. Wir wandern bis zu einer türkisblauer Lagune hoch und genießen den Anblick der überwältigenden Natur.
Auf dem Rückweg begegne ich doch tatsächlich Oliver und Jeannine beim Aufstieg. So reisen wir dann doch noch ein Stück gemeinsam weiter. Unser Übernachtungsplatz am Fluss, abseits der im Bau befindlichen und extrem staubigen Straße, ist ruhig und wir schlafen gut. Als wir dann beim Frühstück sitzen, inzwischen tröpfelt Regen auf das Autodach, kommt mit Schwung ein rotes Nationalparkauto angefahren. Der Ranger sieht schon von weitem sehr gestresst aus. Oliver steigt aus, kommt erstaunlich schnell wieder und gibt bekannt: Wenn wir in einer Stunde weg sind, gibt es keine Strafe. Wir sind betroffen bis wütend über die Art der Ansage. Der Ranger hat behauptet, wir hätten den Zugang zum Fluss geknackt. Dort hätte ein mit einem Schloss versehene Kette gehangen. Nun, wir sind wirklich unschuldig. Das Tor stand weit offen und wir konnten nicht erkennen, wen wir gestört haben sollten. Der Ranger geht auch noch zu dem Radler, der weiter hinten sein Zelt aufgebaut hat und verjagt ihn. Als Uwe versucht, ihn anzusprechen, wird er nur unwirsch zurückgewiesen. Der Ranger braust mit seinem Auto vom Gelände, knallt noch das Tor zu und wirft eine alte Toilette um, so dass wir nur raus können, indem wir sie beiseite schieben. Welch ein Unterschied zu dem Ranger im Valle Exploradores!
Nach einem Kaffee trennen sich unsere Wege für die nächsten 3 Tage. Uwe und ich fahren in den Pumalin Park, den die anderen beiden schon kennen. Wir verabreden uns im Parque de los Alerces. Auf dem Weg nach Norden halten wir noch in dem kleinen Dorf Puyuhuapi, checken Mails und machen einen gemütlichen Spaziergang durch den von vielen Touristen besuchten Ort. Auch hier stehen, wie fast überall an der Carretera Austral, viele Tramper. Sie haben bei dem regnerischen Wetter natürlich noch schlechtere Karten mitgenommen zu werden als sonst. Uwe fotografiert einige der Übernachtungsangebote.Sie schauen alle idyllisch aus, der Standard ist jedoch ein anderer als bei uns zuhause.
Die Carretera Austral wird in diesem Abschnitt gerade ausgebaut. Ihr Zustand ist besonders schlecht. Es ruckelt und zerrt an jeder Ecke, das Auto ächzt. Häufig kann man nur 20 - 30 km schnell fahren. Die Strecke zieht sich in die Länge. Wir übernachten an einem Fluss, diesmal außerhalb des Nationalparkes und erreichen erst am nächsten Nachmittag den Pumalinpark. Dieser ist der größte und bekannteste Park, den Douglas Tompkins mit seiner Frau zusammen gegründet hat. Der Weg zum Camping Ventisquero ist mit zwei Hütchen gesperrt. Auch wenn wir damit gerechnet haben, dass der Platz besetzt sein könnte, sind wir enttäuscht. Wir sprechen mit verschiedenen Leuten, aber niemand kann uns sagen, weshalb die Sperre existiert. Als ein Pärchen vom Platz herauskommt, meinen sie auch, dass es keinen Grund dafür gibt. Kurz entschlossen umfahren wir die Hütchen und finden einen schönen leeren Platz, auf dem wir die nächsten 16 regenreichen Stunden verbringen. Leider kann man kaum bis zum nächsten Hügel schauen, so dass wir uns entschließen, den Blog zu schreiben und nicht zum Aussichtspunkt zu wandern.
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